Feuerwehr

Der ichweißnichtwievielte Fehlalarm

Ich will ja nicht ständig dasselbe schreiben, aber es kommt eben vor, dass sich im Feuerwehrdienst das eine oder andere Szenario weitgehend wiederholt. Oft wiederholt. Sehr oft wiederholt. Heute also eine Einsatzgeschichte mit Déjà-vu-Eigenschaft:

Es war ein kleiner elektrischer Impuls, der durch die Nervenbahnen bis zu seinem Zeigefinger raste. Die Muskeln im Finger spannten sich, zogen die Sehne, krümmten den Finger. Klick. Danach völlige Stille im Raum. — Der Disponent hatte auf der Alarmierungsoberfläche die rote Schaltfläche angeklickt. Stille. Die Ruhe vor dem Sturm. In diesem Moment setzte sich eine gewaltige Maschinerie in Bewegung, von der außer dem Disponenten jetzt noch niemand etwas ahnte: Digitale Alarmumsetzer begannen unaufhörlich ihre Meldungen durch den Äther zu senden, im ganzen Landkreis begannen plötzlich Faxgeräte zu piepen und druckten die soeben generierten Depeschen mit allen benötigten Informationen aus. Telefone klingelten, Gongs tönten, Funkmeldeempfänger an den Gürtel dutzender Ehrenamtlicher piepten und kleine Lautsprecher schmetterten Alarmdurchsagen durch die Hallen scheintoter Feuerwachen.

In der Leitstelle war es totenstill, abgesehen vom unablässigen Blubbern der Kaffeemaschine.

Im Moment als der Disponent den entscheidenden Klick machte, wusste auch ich von nichts, was bis dahin geschehen war. Was auch immer zuvor geschehen war, in den vergangenen 90 Sekunden hatte vielleicht eine Person mit zittriger Stimme einen Notruf in ihr Handy gejapst. Erst als der nächste Funkmast in meine Richtung sendete und mein Melder mit dem ohrenbetäubenden Gewitter auf sich aufmerksam machte, seine schaurig-schöne Symphonie trillerte und eine Mischung aus blauem und rotem Licht an meinem Gürtel zu strahlen begann, wusste auch ich Bescheid.

Überlichtweise folgt dann der kurze Moment, in dem man vor Schreck innehält, sich nicht rührt, dann aus Reflex an seine Hüfte fasst und den Melder mit einer beinahe lässigen Handbewegung auf Kopfhöhe reißt. Die ersten drei Zeilen Text entscheiden dann, ob Panik angesagt ist oder nicht: Brandmeldeanlage Altenheim. Naja. An dieser Stelle ist es nicht mehr ganz einfach zwischen Panik und nicht Panik zu unterscheiden. Einerseits ist „Brandmeldeanlage“ der Inbegriff der Fehlalarme, andererseits ist „Altenheim“ Indikator für Wenn-es-wirklich-brennt-dann-haben-wir-ein-Problem.

Es war 9.19 Uhr am letzten Ferientag der letzten Schulferien meines Lebens. Wer schläft da schon gerne aus? Also sprang ich aus dem Bett, zog mich schnell an und rannte ins Erdgeschoss. Dabei fiel mir ein, dass meine Eltern beide bei der Arbeit waren, also keines ihrer Autos da war – mal wieder. Glücklicherweise fand ich schnell meine Großmutter, erbeutete – quasi mit vorgehaltener Waffe, nämlich mit den Worten „Im Altenheim brennt es vielleicht“ – die Autoschlüssel. Es folgte eine eilige Einsatzfahrt. Am Gerätehaus angekommen stellte ich fest, dass kaum jemand vor Ort war (es war ein Werktag und morgens, also war das relativ normal). Das Tor des erstausrückenden Tanklöschfahrzeugs wurde gerade erst geöffnet, ich zog mich so schnell um, dass ich es kaum selbst sehen konnte. Ab diesem Moment war die Stimmung dann aber relativ gelassen, inzwischen fast routiniert. Ich wurde auf einen Sitzplatz im TLF eingeladen. Dann ging es mit sechs Mann auf meinem Fahrzeug und drei weiteren Mann im Mannschaftstransportwagen auf die Straße.  In dieser kleinen Kolonne schafften wir knapp 900 Meter, dann kam der Funkspruch: „BMA durch Wasserdampf ausgelöst“, die Leitstelle empfahl daraufhin, die Einsatzfahrt abzubrechen. Das taten wir und rückten wieder ein. Die Kameraden des anderen Löschzuges schienen die Lage schließlich auch allein unter Kontrolle zu bekommen. Sie stellten die Anlage wieder scharf. Das war’s. Ende.

Kommentar verfassen