Feuerwehr

Waldbrand

Es ist schon der zweite Jahrhundertsommer in den ersten 18 Jahren des Jahrhunderts. Der Klimawandel macht sich bemerkbar – auch bei der Feuerwehr: Ein Flächen-, Wald- und Fahrzeugbrand nach dem anderen lässt den Landkreis (und vor allem die stressgeplagten Disponenten der Leitstelle) nicht zur Ruhe kommen. Alle Nachbarfeuerwehren waren beinahe täglich unterwegs, auch der Löschzug des anderen Ortsteils fuhr zu dieser Zeit etwas einmal wöchentlich zu einem Brandeinsatz. Kaum verwunderlich, passierte es dann auch bei uns. Piep, Piep, Piep. Vollalarm. Waldbrand. Und wer stand gerade an der Bushaltestelle im anderen Ortsteil und hatte kein Auto zur Hand? Genau. Ich. Super Sache.

Aber ich war vorbereitet. Schließlich hatte ich mir bei dieser Wetterlage schon mal Gedanken darüber gemacht, was ich täte, wenn jetzt etwas passierte. Also sprintete ich zum Gerätehaus des anderen Löschzugs, das gleich um die Ecke stand. Dort angekommen musste ich kaum dreißig Sekunden warten, da kamen die ersten Autos mit quietschenden Reifen um die Ecke geschossen. Einen von meinen Kameraden fragte ich nach seinem Auto, er warf mir den Schlüssel zu und ich schoss mit quietschenden Reifen dem Strom anfahrender Feuerwehrleute entgegen, die verständlicherweise etwas verdutzt guckten, als ich über die Zufahrtstraße in verkehrter Richtung hinausfuhr. Aber alles funktionierte nach Plan. Vier Minuten später war ich am Gerätehaus meines eigenen Löschzugs.

Das primäre Löschgruppenfahrzeug war natürlich schon weg, das Tanklöschfahrzeug kam mir gerade entgegen. In der Fahrzeughalle standen nun noch ein Löschfahrzeug ohne Wassertank und das Mannschaftstransportfahrzeug, dessen Blaulichtbalken bei einem missglückten Einparkmanöver erst kürzlich abgerissen war, sowie zwei hilflos aussehende Kameraden. Ich zog mich in Sekundenschnelle um. Keiner von uns dreien hatte einen Führerschein für das Löschfahrzeug, also mussten wir uns notgedrungen das MTF schnappen. „Da fährt man schon mal selbst und kann nicht mal Tatütata anmachen!“, fluchte mein Fahrer, während ich auf dem Beifahrersitz Platz nahm und uns mit dem Funkgerät an der Leitstelle anmeldete. Da das Dorf aber ausgerechnet jetzt voll mit Autos und einem Bus war und wir schlecht an jedem Schild halten und warten konnten, mussten wir improvisieren. Warnblink, Hupe und ab die Post! Es funktionierte gar nicht so schlecht. In wenigen Minuten hatten wir uns durch den Verkehr gekämpft. „MTF mit Stärke!“, polterte es durch das Funkgerät. Die Leitstelle wollte wissen, wie viele Personen auf unserem Fahrzeug saßen, um abschätzen zu können, ob ausreichend Personal auf dem Weg war. „MTF besetzt eins zwo zur Einsatzstelle“, antwortete ich in Kurzform.

Schon auf der Anfahrt sahen wir eine ordentliche Rauchsäule über einem großen Waldstück in den Himmel steigen. Da Wälder üblicherweise keine Hausnummern haben, kam uns die Rauchsäule sehr gelegen und so trafen wir an einer Kreuzung nahe dem Wald mit ein paar Einsatzfahrzeugen der Nachbarfeuerwehr zusammen, die uns zur Hilfe eilten. In einer kleinen Kolonne erreichten wir dann den Einsatzort, parkten auf einem Feldweg, stiegen aus und liefen zügig zum Tanklöschfahrzeug. Dort wurden wir schon erwartet, bekamen sofort den Auftrag zur Errichtung einer Wasserversorgung aus dem Fahrzeugtank des TLF in den Tank des LF, das bereits über drei Strahlrohre Wasser in den Wald pumpte. Nachdem wir die Leitung gelegt hatten und unser Maschinist das Löschwasser freudig an die Front spendete, kam bereits der nächste Befehl vom Gruppenführer: „Mit Zinkenhacke und Strahlrohr in den Wald vor!“. Und so ging es in den brennenden Wald. Dort wüteten bereits einige Kameraden und löschten ringsherum Bäume, Sträucher, Büsche, Laub und Unterholz. Da der dichte Rauch sich schon weitgehend verzogen hatte, mussten wir keinen Atemschutz mehr anlegen, worüber ich angesichts des Thermometers nicht böse war.

Das Feuer war unerwartet schnell in die Bäume aufgestiegen. Wenigstens breitete es sich deshalb nicht so schnell in alle anderen Himmelrichtungen aus. So bekamen wir den Brand recht zügig unter Kontrolle, doch stieg immer wieder Rauch auf und am Boden liegende Äste entzündeten sich erneut. Darum gruben wir den Waldboden großflächig um, löschten jeden Quadratzentimeter mit Unmengen von Wasser ab und kontrollierten jeden Zweig mit der Wärmebildkamera, bis auch der letzte verkohlte Grashalm wieder kalt war.

Da hörte wir ein lautes Knistern und schauten nach oben. Eine Birke hatte in einer Gablung wieder zu brennen begonnen und Flammen schlugen in sieben Metern Höhe himmelwärts. Also bombardierten wir die Astgabel mit Wasser und setzten sogar ein wenig Schaum ein, um das Holz zu durchtränken. Feuer aus.

Nachdem wir alles zusammengeräumt hatten, rollte noch ein Spezialfahrzeug der Nachbarfeuerwehr vor, das mit einem Wasserwerfer ausgestattet war. Es eröffnete ein nasses Dauerfeuer auf den armen Wald, der in den letzten sechs Monaten zusammen vermutlich nicht so viel Wasser wie heute gesehen hatte. Am Ende des Tages hatten wir mehr als 20.000 Liter auf etwa 50 m² Boden geschleudert, bildlich: Jeder einzelne Quadratmeter wurde mit 400 Kilogramm Wasser überschichtet. Das sollte reichen. Nur zur Vorsicht blieb ein Löschfahrzeug mit seiner Besatzung noch ein paar Stunden vor Ort und kontrollierte in regelmäßigen Abständen die Einsatzstelle.

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