StudiumWissenschaft

Backen, Kochen und (An)Organische Chemie

In der Schule ist die gesamte Chemie nur ein einziges Schulfach unter vielen anderen. Wer sich (zu Recht) von der Faszination dieser Naturwissenschaft begeistern und mitreißen lässt und sich am Ende vielleicht sogar für ein Studium der Chemie entscheidet, wird noch vor der ersten Vorlesung feststellen, dass Chemie an der Universität selbst nur ein Sammelbegriff für wiederum viele andere Fächer ist: Allgemeine Chemie, Anorganische Chemie, Organische Chemie, Physikalische Chemie, Technische Chemie, Biochemie, Lebensmittelchemie, Wirtschaftschemie, Pharmazie, Analytische Chemie, Chemiedidaktik, Phytochemie, Medizinische Chemie und sicherlich noch einige mehr.

Als frisch gebackener Abiturient bekam ich damals große Augen. Zwar hatte ich zwei Jahre lang einen Leistungskurs in Chemie besucht und meine Abiturprüfung darin abgelegt und deshalb eine leise Ahnung, was manche dieser Bereiche erforschten; trotzdem war es so viel mehr als man zu Schulzeiten auch nur geahnt hatte.

Die zwei Fachrichtungen, um die es heute geht, sind die anorganische und die organische Chemie. Während die organische Chemie sich mit all den Verbindungen beschäftigt, die Kohlenstoff enthalten, und den für diese charakteristischen Reaktionsmechanismen, kümmert sich die anorganische Chemie um den Rest: All die toten, salzigen, metallischen Stoffe, die ohne Kohlenstoff auskommen. Man mag es vielleicht nicht auf den ersten Blick ahnen, aber diese Unterscheidung hat gewaltige Folgen! Man hat nämlich nicht willkürlich die Welt der Stoffe in diese zwei Klassen gegliedert, um in einer Art Arbeitsteilung besser forschen und arbeiten zu können, nein. Organische Verbindungen verhalten sich ganz anders als anorganische.

Die Stoffe der einen Gruppe sind eher schön, bunt und kristallin – die der anderen sind meistens ölig, breiig, pulverig und meistens weiß, orange oder gelb; von den übrigen Eigenschaften ganz zu schweigen. Entsprechend unterschiedlich arbeitet man auch im Labor mit den Stoffen, hat zwar ähnliche Geräte, aber ganz andere Arbeitsweisen, andere Lösungsmittel und andere Schritte durchzuführen.

Aber wie nur soll man das erklären? Wie soll man es vor allem Schülern erklären? Gibt es hier eine gute Metapher?

Nach dem dritten Semester meines Studiums hatte ich beide Bereiche in Theorie, d.h. im Hörsaal, und Praxis, d.h. im Ausbildungslabor der Universität, kennengelernt. Als ich kurz darauf gedankenverloren an der Spüle stand und die gebrauchte Teigschüssel nach dem Backen spülte, flammten vor meinem inneren Auge Posttrauma-Flashbacks aus dem Organisch-chemischen Praktikum im Labor auf – und die Antwort auf die oben stehende Frage traf mich wie ein Schlag:

Anorganische Chemie ist wie Kochen – Organische Chemie ist wie Backen.

Anorganische Chemie / Kochen

  • Das Lösungsmittel ist in der Regel Wasser. Viel Wasser.
  • Die verwendeten Utensilien können am Ende vergleichsweise schnell und einfach unter Wasser gereinigt werden.
  • Die Reihenfolge der Arbeitsschritte ist nur manchmal wichtig. Man kann oft auch alles zusammenkippen und es kommt trotzdem dasselbe Produkt heraus.
  • Es geht schnell.
  • Das, was herauskommt, sieht oft toll aus, ist aber nicht von berauschender Komplexität. Irgendwie bleibt am Ende doch alles in seinen Einzelteilen, nur etwas anders angeordnet.

Organische Chemie / Backen

  • Als Lösungsmittel dient Fett oder eine fettige Substanz.
  • Die verwendeten Utensilien sind am Ende oft verklebt und können nur mit Spülmittel und vergleichsweise großem Aufwand gereinigt werden.
  • Die Reihenfolge er Arbeitsschritte ist in der Regel sehr wichtig.
  • Es dauert lange. Das gewünschte Produkt formt sich nur nach und nach bei Einhaltung der Arbeitsschritte.
  • Das war herauskommt, hat oft dieselbe, gelbliche Farbe. Je nach Vorgehen kommt häufig ein ganz neues Produkt heraus, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Die Zutaten haben sich zu etwas ganz Neuem verbunden.

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