Alarmstichwort: Weltuntergang
Was bisher geschah (und nicht berichtet wurde)
Mein letzter Einsatz, zu dem ich allerdings aufgrund seiner geringen Relevanz bislang kein Wort schrieb, war eine marode Gasleitung: Anwohner bemerkten am Abend starken Gasgeruch auf ihrer Straße. Keine fünf Minuten später, nach ordentlicher Alarmierung, stand ein ganzer Löschzug, ausgerüstet mit drei Löschfahrzeugen, einem Kommando- und einem Einsatzleitwagen vor Ort. Letzterer verteilte auch schnell die erste Anweisung: Evakuierung.
Also standen kurz darauf Einwohner aus dreizehn Häusern auf der Straße, die aufgrund des vermuteten Gasaustrittes zur totalen Gefahrenzone erklärt wurde, und – was in dem Fall scheinbar am naheliegendsten ist – zündeten sich eine Zigarette an. Applaus. Brandschutzerziehung: Einsplus mit Sternchen.
Nachdem die Damen und Herrschaften also auch noch über die Wechselwirkung von Erdgas mit offenem Feuer belehrt worden und diese daraufhin größtenteils auf den Konsum von Bier umgestiegen waren, begann endlich die eigentliche Suche nach dem Gasleck. Das war nach einer Stunde Suche mit Messgeräten und unter Atemschutz recht zügig geschafft, sodass nun die Energieversorger die Straße aufbrechen und die Leitung abquetschen konnten, während sechs arme Seelen, die Besatzung eines Löschfahrzeuges, die halbe Nacht vor Ort bleiben und aufpassen durfte, dass dabei nichts passiert.
Weltuntergang
Damals prügelte das Sturmtief Zeljko unablässig auf die Natur ein, trieb den Wind, bog die Bäume, erfasste mit jeder Böe kleine Piepmätze und schleuderte sie gegen die nächstgelegenen Backsteinmauern. Traurig, aber wahr.
In jenen schweren Stunden saßen dutzende der tapfersten Männer unserer Tage… nein, gut, sachlich bleiben. Es war Sturm. Und nicht so einer, wie jeder andere sogenannte Sturm, der vom Deutschen Wetterdienst mit der Stufe Gelb oder Orange versehen wird, sondern wirklich Sturm. Stufe Rot. Und als sich eben die Bäume bogen und die Piepmätze gegen die Backsteinmauern geschleudert wurden, kam der erste von vier Alarmen an diesem Tag. Um es kurz zu machen: Drei dieser Alarme hatten zum Gegenstand, dass ein Baum durch den heftigen Wind umgeknickt und auf die Straße gefallen war, sodass diese für den Verkehr nicht mehr passierbar war. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass einer von ihnen entwurzelt wurde.
Jene Bäume wurden jeweils mithilfe von Kettensägen („Motorsägen“) zerkleinert und beiseite geräumt, sodass der städtische Bauhof am nächsten Tag die Überreste entsorgen konnte. Glücklicherweise, muss ich sagen, fällt der Abtransport nicht mehr in unser Aufgabengebiet, denn dazu blieb bei Weitem einfach keine Zeit an dem besagten Tag. Meistens wurden wir noch auf der Rückfahrt zum nächsten Einsatz alarmiert. Gerade, in dem Moment, wo man dieses Geschafft-Gefühl hat und denkt: „Da haben wir mal wieder die Welt gerettet!“, piept es in jeder Hosen- und Jackentasche, die auf dem roten Auto zu finden ist, und meldet wieder den einen oder anderen Baum, der sich nicht mehr erinnern konnte, mit welchem Ende er zur Erde zu zeigen hatte.
Interessant wurde es bei einem anderen Meldebild zwischendurch: „Baum droht, auf Straße zu stürzen“. Was zunächst recht undramatisch klingt, wird stets begleitet von einer Menge Tatütata und blauem Blitzlicht angefahren, da von solchen Bäumen eine beträchtliche Gefahr ausgeht. Angekommen auf der betroffenen Kreisstraße, sperrten wir diese mit großem Sicherheitsabstand ab. Brandoberinspektor und Stadtbrandinspektor berieten, was zu tun war. Schließlich wurde sich darauf geeinigt, dass die ranghöchste Einsatzkraft, die vor Ort war, die Straße mit einem Warndreieck absichern sollte und die rangtechnisch zweihöchste Kraft den Rest koordinierte. Plausibel.
Letztere also ordnete an, den Baum kontrolliert zu Fall zu bringen. Und noch während die Kettensäge den Stamm malträtierte, rollten die ersten Landwirte mit ihren Traktoren an, die auf ihrer Pirsch entdeckt hatten, dass dort gleich kostenloses Kaminholz frei werden würde. Kaum berührte das Laub der armen Eiche also die Straße, waren schon zwei von ihnen vor Ort, die das Rennen gewonnen hatten, und luden alles, was nach Holz aussah oder es mal werden könnte, in ihren Anhänger und waren schon wieder weg. Straße gefegt und fertig.
Perfektes Ende 😀